Bensheim. Da warnt das Hessische Umweltministerium vor akuter Waldbrandgefahr – und was macht die Bensheimer CDU? Veranstaltet einen Themenabend zum Hochwasserschutz. Aber im Ernst: Die sogenannten Extremereignisse haben auch im Stadtgebiet deutlich zugenommen. Überflutete Straßen und vollgelaufene Keller waren in den vergangenen Jahren keine Seltenheit.
Der Kommunalverband Mittlere Bergstraße (KMB) informierte am Dienstag im Rahmen einer offenen Fraktionssitzung über die Auswirkungen der jüngsten Starkregenfälle und welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien.
Tobias Heinz begrüßte KMB-Geschäftsführer Frank Daum sowie Verbandsvorsteher und Ersten Stadtrat Helmut Sachwitz. Dieser machte deutlich: „Jeder Hauseigentümer muss seinen Teil dazu beitragen.“ Zum Beispiel durch eine Rückstausicherung, die den technischen Möglichkeiten und den aktuellen Vorschriften entspricht. Denn nach geltendem Recht ist er für alle Schäden verantwortlich, die auf einem Fehlen dieser Sicherungen beruhen.
Extreme Wetterlagen
Fakt ist: Extreme Wetterlagen mit viel Niederschlag belasten das Kanalsystem bis zum Anschlag – und oftmals darüber hinaus. Wenn Gullideckel in die Höhe schießen, ist es bereits zu spät.
Daum sprach von einem zentralen Thema im Kontext der lokalen Abwasserbeseitigung. Seit 2014 arbeitet der KMB daher an einem Generalentwässerungsplan für das komplette Verbandsgebiet. Ein Aspekt dabei ist die Reduzierung von sogenanntem Fremdwasser – also Wasser, das meist ungewollt in die Kanalisation eindringt, sich mit dem Schmutzwasser vermischt und gemeinsam abfließt. Die größten Mengen stammen laut Messung aus Gadernheim, Schönberg oder Gronau. Laut Daum bestehen etwa 30 Prozent der Wassermenge, die aus Lautertal bergab nach Bensheim fließt, aus diesem Fremdwasser.
Der Verband plant ein ganzheitliches Konzept, das auch die hydraulische Sanierung des bestehenden Kanalnetzes umfasst. Rückblende: Im Sommer 2016 kam es in Bensheim zu heftigen Gewittern, die zu gefluteten Unterführungen und Straßen sowie vollgelaufenen Kellern geführt hatten. Erneut kam es am Meerbach auf Höhe der Bundesstraße 3 im Bereich der Siroan-Unterführung zu einem hohen Wasserstand. Eine ähnliche Lage gab es vier Jahre zuvor im Mai und Juni 2013. Die beiden Meerbachbrücken an Bahn und Bundesstraße waren damals besonders stark betroffen. Eingedeichte Gewässer wie Winkelbach, Ziegelbach und Neugraben waren voll wie, liefen aber nicht über. Auch der Meerbach in Gronau und Zell uferte aus und floss über die Straßen talabwärts.
Es ist die Aufgabe – und die Pflicht – des KMB, für ein ausreichend leistungsfähiges Ablaufsystem zu sorgen, so Frank Daum. Dazu gehört auch der Schutz von Gewässern und Grundwasser. Das Verbandsgebiet umfasst rund 350 Kanalkilometer mit gut 10 000 Haltungen. Eine Haltung ist die Verbindungsstrecke eines Abwasserkanals zwischen zwei Schächten.
Das Einzugsgebiet des Verbands reicht von Einhausen über Bensheim bis Lautertal. In diesem Bereich führt der KMB Messungen und Analysen durch, um das System auf der Basis von detaillierten Daten zu verbessern. Noch im laufenden Jahr soll ein umfassendes Sanierungskonzept fertiggestellt werden.
Bedarf am Beauner Platz
Als dringende Baustellen nennt Daum unter anderem den Beauner Platz, wo im Bereich der Winkelbachverdolung ein Kanalrohr den Bachlauf quert. Dies führe zu einem Rückstau, der beseitigt werden müsse. Auch am Alten Weg/Nibelungenstraße (Schönberg) ist ein Wasseraustritt bekannt. Ein Stauraumkanal soll den Abfluss in Tälchen puffern und die Wassermenge zeitlich verzögern.
Auch in der Bleiche herrscht wahrscheinlich Handlungsbedarf. Präzise Daten liegen hier noch nicht vor. Der KMB mutmaßt, dass sich an dieser Stelle ein Rückstau aus der Schwanheimer Straße und der Fremdwasserzufluss aus Schönberg treffen. Überlastet ist laut Frank Daum auch der Regenwasserkanal an der Robert-Bosch-Straße: Hier wartet man noch auf Gewissheit bezüglich des Straßenausbaus, um beide Maßnahmen in einem Aufwasch abzuwickeln.
In Schwanheim ist im Bereich Schulzengasse/Rohrheimer Straße ein Überstau festgestellt worden. Das heißt, dass der Wasserstand im Extremfall bis zur Geländeoberkante reicht und aus dem Kanalnetz austreten kann. Laut KMB wäre hier ein Regenrückhaltebecken Richtung Fehlheim sinnvoll.
Daum betont: Kein Kanalnetz wird jemals komplett frei von Fremdwasser sein. „Wir müssen Maßnahme ergreifen, mit denen man für wenig Aufwand viel erreichen kann.“ Im Meerbachtal beispielsweise könnten hydraulische Engpässe an den Anwohnerbrücken durch erhöhte Durchflusskapazitäten an der Ufermauer verringert werden.
Eine Rückversetzung der Ufermauer würde mehr Wasser durchlassen, so dass der Austritt über die Straße später erfolgte. Die vorhandene Bachmauer ist ohnehin marode. Der Einbau einer Spundwand als neue Stützmauer würde das Bachbett etwas breiter machen.
„Das beste Kanalnetz nutzt wenig ohne ein gutes Rückhaltesystem“, so Helmut Sachwitz, der Hochwasserschutz als Ergebnis vernetzter Maßnahmen sieht. Im Falle von extremen Regenfällen könne es dennoch niemals eine absolute Sicherheit geben. Das Risiko lasse sich reduzieren, aber nicht ausschließen.
„Durch die Untersuchungen im Bestand versprechen wir uns neben dem Start von eigenen Maßnahme auch eine verbesserte Beratungsmöglichkeit für die Anwohner.“